EuGH: neue Gestaltungsmöglichkeit bei der Wertung von Losen

Geschrieben am 19.09.2024 von:

Lars Lange

Rechtsanwalt | Fachanwalt für Vergaberecht
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(EuGH, Urt. v. 13.6.2024 – C-737/22)

Im Vergaberecht gilt, dass Auftraggeber Aufträge soweit möglich in Fach- und Teillose aufteilen müssen. Hierbei handelt es sich um einen der zentralen Grundsätze des Vergaberechts. Bei der genauen Gestaltung verfügen die Auftraggeber aber über einigen Spielraum. So können sie beispielsweise festlegen, dass Angebote nur für ein Los oder für mehrere Lose eingereicht werden dürfen. Sie dürfen auch einen sog. „Kombinationsrabatt“ zulassen. Das heißt, dass der Bieter für den Fall, dass er auf alle Lose den Zuschlag erhält, einen Rabatt gewährt. Voraussetzung ist, dass der rabattierte Preis in jedem Einzellos der günstigste Preis ist.

Zusätzlich zu diesen Gestaltungsmöglichkeiten gibt es seit Kurzem eine weitere Variante zur Wertung von Losen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat dies kürzlich in einer neuen Entscheidung bestätigt.

In dem entschiedenen Fall hatte der Auftraggeber Bibliotheksmaterialien in insgesamt acht Losen ausgeschrieben. Als einziges Zuschlagskriterium wählte er den Angebotspreis. In den Vergabebedingungen legte der Auftraggeber fest, dass bei Abgabe eines Angebots für Los 1 oder 2 gleichzeitig automatisch ein Angebot für das jeweils andere Los abgegeben wird. Zudem bestimmten die Vergabebedingungen, dass das günstigste Angebot im Los 2 den Zuschlag erhalten sollte. Demgegenüber sollte der Zweitplatzierte für das Los 1 nur zum Preisangebot des Bestbieters für Los 2 den Zuschlag erhalten. Sofern der Zweitplatzierte dies ablehnte, wurde nach den Vergabebedingungen den weiteren Bietern in der Reihenfolge ihrer Preise das Los zum angebotenen Bestpreis angeboten.

Eines der an dem Verfahren beteiligten Bieterunternehmen griff diese Regelungen an. Das Landgericht für Ostdänemark legte dem EuGH den Fall zur Vorabentscheidung vor.

Der EuGH bestätigte die vergaberechtliche Zulässigkeit der Regelungen. Zunächst betont er, dass die Verfahrensregelungen für die Bieter transparent sein müssen. Zudem führt er aus, dass die eingereichten Angebote grundsätzlich nicht nachträglich verändert werden dürfen. Hier werden die vergaberechtlichen Grundsätze nach Auffassung des EuGH jedoch nicht verletzt. Das alleinige Zuschlagskriterium des günstigsten Preises werde nicht umgangen. Der Bieter mit dem günstigsten Preis bilde die Grundlage für die Reihenfolge der Angebote. Die Möglichkeit des Zweitplatzierten, den Zuschlag zum vom Erstplatzierten angebotenen Preis zu erhalten, gründe allein auf seinem Platz in der gebildeten Rangfolge.

Da der EuGH dieses Modell ausdrücklich als zulässig anerkannt hat, gibt es eine neue Gestaltungsmöglichkeit für öffentliche Auftraggeber bei der Losvergabe. Die Entscheidung ist jedoch durchaus nicht unumstritten, da sich argumentieren lässt, dass der Zweitplatzierte Bieter nachträglich seinen Preis ändert, was an sich vergaberechtlich nicht zulässig ist.


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